Zurück von unserem Familientreffen fand ich am Montag eine Abholkarte von DHL im Briefkasten. Wie sich dann herausstellte, war es kein Paket, sondern ein Einschreiben. Darin fand ich ein offiziell wirkendes Schreiben, das sich auf ein Zitat auf meiner Website bezog: Dieser Text sei urheberrechtlich geschützt. Man habe keine Zustimmung erteilt, sodass dies ein Verstoß gegen das Urheberrecht sei, den man entsprechend dokumentiert habe. Angefügt waren zwei Formulare: eine Unterlassungserklärung, verbunden mit einer Zahlung von 500 €, oder eine Lizenzvereinbarung für 500 € pro Jahr, Mindestlaufzeit drei Jahre. Wow! Ich nahm das ganze sehr ernst, allerdings nicht so, wie der Absender gehofft hatte. Die Forderung war für mich ganz klar unberechtigt, ich glaube, das Bild eines schnaubenden Stieres kurz vor dem Angriff beschreibt meinen Gemütszustand ganz gut.
Ruhig bleiben – Fakten checken!
Na gut, das ist leichter gesagt als getan. Wichtig ist, erstmal NICHTS zu tun. Keine Antwort, keine Überweisung, mindestens eine Nacht darüber schlafen, das ist mein Grundsatz.
Die Frist – Druck erzeugen
Die erste Auffälligkeit: Das Schreiben ist auf den 10.8.21 datiert, der erste Zustellversuch war am 28.8. Als Ablauffrist war der 25.8.21 angegeben. Hier wird künstlich Druck erzeugt! Im Fall der Zuwiderhandlung habe ich keine Möglichkeit mehr, „nur“ mit 500 € (bzw. 1500 € für drei Jahre Lizenzvertrag) davonzukommen, in dem Fall droht man mir nämlich mit weiteren rechtlichen Schritten und Kosten nicht unter 5001 €.
Meine Erfahrung: Immer, wirklich immer, wenn Fristen sehr kurz sind, ist das Anliegen unseriös. Es kursieren E-Mails, wo angedroht wird, wenn man nicht innerhalb von 24 Stunden den Betrag x überweise, werde das Nutzerkonto eines Dienstes gesperrt, das Inkassounternehmen sei fast schon unterwegs oder die Welt geht unter. Bei mir waren das bisher relativ kleine Beträge von unter 100 €, sodass manche*r vielleicht ungeprüft bezahlt. Zusätzlich sind oft links eingefügt, durch die man sich Trojaner einfängt.
Ich würde sagen: Lügen haben kurze Beine und kurze Fristen weisen dann hin auf…..! Genau. Lügen.
Wer ist das überhaupt?
In meinem Fall musste ich erstmal rausfinden, wer da überhaupt was von mir will. Den entsprechenden Text habe ich vor zwei Jahren für ein gemeinsames Seminar mit einer Freundin und Kollegin auf meine Website gestellt. Die Ausschreibung hatte sie verfasst, und auch das Zitat eingebunden, deswegen wusste ich nicht gleich, worum es sich handelt. Da dieser Text auf meiner Website auftauchte bin ich dafür verantwortlich, so weit geht das klar. Aber wer war das denn nun? Ich schaute auf die angegebenen Websites. Die nächste Überraschung: ich kann den Cookies nur zustimmen. Lehne ich ab, werde ich auf die Seite einer Suchmaschine geleitet. Darf man das? Dazu habe ich bei cookiebot.com gefunden, es bezieht sich auf die Zustimmung zu Cookies und auf das EU-Cookie-Gesetz. Hier ist Folgendes zu lesen:
Die Einwilligung muss freiwillig erteilt werden und niemals z.B. als Bedingung für die Nutzung eines Dienstes.
Sehen mir nicht so vertrauenerweckend aus, die Websites.
Unterstützung suchen
Jede*r kennt jemanden, der jemanden kennt, und so weiter. Irgendwer in Eurem Umfeld kennt sich sicher damit aus, im Zweifelsfall die Polizei oder der Verbraucherschutzbund. Ihr findet sicherlich auch jemanden, der Euch hilft, ein geeignetes Antwortschreiben aufzusetzen, falls Euch das selbst eine Nummer zu groß ist. Wenn Ihr sehr unsicher seid, ist eine Rechtsberatung sicher sinnvoll.
In meinem Fall habe ich wesentliche Teile geschwärzt und den Brief mit meinen Kolleginnen von The Blog Bang geteilt. Judith Peters, Werbetexterin und leidenschaftliche Bloggerin, hatte direkt einen Tipp für mich: eine Website mit dem entsprechenden Gesetzestext und einem kurzen Text, was das im Klartext bedeutet. Und siehe da: ein korrekt gekennzeichnetes Zitat darf ich benutzen, wenn ich selber einen längeren Text verfasse und dieses Zitat einen Bezug zu diesem Text hat. Wo soll nun bitte das Problem liegen?
Abwarten und Tee trinken
Die Antwort ist geschrieben und jetzt heißt es Abwarten. Sollte da noch etwas nachkommen, wird mir ein Gang zur Rechtsberatung einer Kanzlei oder des Verbraucherschutzbundes nicht erspart bleiben. Bis dahin beschäftige ich mich mit der Frage, wie ich meine Gedankenkarussells anhalte: Natürlich war das Thema gestern in meinem Kopf nahezu permanent präsent und ich war sehr abgelenkt. Das möchte ich eigentlich nicht. Immerhin konnte ich schlafen, das ist schon ein Fortschritt und ich bin möglicherweise auf dem richtigen Weg, mit solchen Ereignissen umzugehen.
Ich werde es Euch wissen lassen, falls sich neue Sachverhalte ergeben (sowohl bei den Gedankenkarussells als auch bei Urheberrechts-Abmahnung).
Update Mai 2022: Ich habe nie wieder was davon gehört.
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